Kommen wir nun zum Dualismus: Der Dualist behauptet eine zweite Wirklichkeit, weil er dem Materialisten zunächst recht gibt in seinem Reduktionismus bis zu dem Punkt, wo der Fehlschluss offensichtlich wird. Während der Materialist behauptet, dass das Universum vollständig aus physischen Partikeln besteht, die sich in Kraftfeldern befinden und sich zu Systemen organisieren, – was höchstwahrscheinlich unwiderlegbar richtig ist, behauptet der Dualist, dass es nicht reduzierbare mentale Phänomene gibt – mithin das Bewusstsein – womit er evident recht hat, denn hätte er nicht recht, würde ich das hier nicht schreiben und du würdest es nicht lesen und dabei die Stirn runzeln. Nun macht aber der Dualist gleichermassen einen Fehlschluss, wie der Materialist. Der Dualist schliesst aus dem oben beschriebenen Sachverhalt, dass es zwei getrennte Sphären geben muss, zwei Wirklichkeiten, eine physikalische und eine mentale, nicht-materielle Wirklichkeit. Letzteres nun mit logischen Mitteln zu widerlegen, ist etwas schwieriger – aus logischen Gründen, denn es ist schwieriger die Nichtexistenz von etwas nachzuweisen, das als existent postuliert wird, als umgekehrt die Existenz von etwas zu beweisen, das als Nichtexistent behauptet wird, obwohl es existiert. Dieses logische Problem macht uns allerorten und zu allen Zeiten allergrösste Probleme. Angst ist an sich kein logisches Problem, denkt man – Angst sei in erster Linie ein psychisches Problem. In der Tat aber ist das, was man in der Psychologie als Angst bezeichnet nie die Furcht vor etwas, das tatsächlich existiert und gefährlich ist, sondern stets die Furcht vor etwas, was als existierend geglaubt, aber in Wirklichkeit nicht existent ist. So gesehen ist Angst ein logisches Problem. Ich werde nun versuchen, Searles Argument gegen den Dualismus zu erläutern. Wohlgemerkt bleiben wir hier auf dem Boden der Wissenschaft! Wenn Searle vom Dualisten spricht, dann immer von einem, der die Regeln der Wissenschaftlichkeit und die wissenschaftlichen Erkenntnisse per dato anerkennt, also nicht von Irrationalisten oder beschränkt Gebildeten, die Dinge glauben, deren Existenz bisher nicht nachgewiesen wurde oder gar Dinge behaupten, die faktisch inexistent sind, bzw. kontrafaktische Behauptungen aufstellen. Also: man kann sich womöglich ein Universum vorstellen, in dem der Mensch nicht, oder in dem gar kein Leben, wie wir es bisher zu beschreiben gelernt haben, vorkommt. Das ist sehr einfach vorzustellen, man muss nur sämtliche existierenden Atomwaffen gleichzeitig in der Vorstellung explodieren lassen und schon hat man einen weitestgehend von lebendigen Wesen unterverseuchten Materieklumpen, der von einer dichten Staubschicht umgegeben ist und auf dem wahrscheinlich viele Millionen von Jahren keine nennenswerten lebendigen Existenzformen mehr anzutreffen sind. Trotzdem wird dieses Universum nach den bisher bekannten Gesetzen weiter existieren. „Es ist also logisch möglich, dass das physische Universum exakt genauso sein könnte, wie es ist, Atom für Atom, nur ohne Bewusstsein.“ (Searle, S. 139) Das Umgekehrte ist allerdings weit schwieriger vorzustellen, schlechterdings deswegen, weil es logisch unsinnig ist, nämlich sich ebendieses Universum Atom für Atom so vorzustellen, ohne dass sämtliche seiner physischen Eigenschaften genauso sind, wie sie sind (vgl. Searle, S. 140) Stellen wir uns also ein vom Bewusstsein befreites Universum vor, beschreiben wir physikalische Tatsachen, einfach ohne Bewusstsein. Wo aber steckt nun das Bewusstsein in der gesamten physikalischen Wirklichkeit des Universums, wie es ist? Der Dualist behauptet nun, dass das Bewusstsein etwas ist, was jenseits der physikalischen, materiellen Wirklichkeit existiert, also müsste das Bewusstsein auch dann existieren und als solches wirken, auch wenn jegliche physikalische Grundlage, nämlich jene komplexe Organisation von Atomen, die über die Jahrmillionen Gehirne haben wachsen lassen, die Bewusstsein und mittels eines Systems von Zeichen Sprache haben entwickeln können, nicht mehr vorhanden wäre. Noch bevor das nun logisch ausgehebelt wird, spürt man die mangelnde Evidenz eines solchen Konzepts: Der Dualist negiert in seiner Behauptung nicht nur die Naturgesetze, sondern auch das Bewusstsein selbst, indem er ihm seinen eigentlichen Gegenstand, nämlich die lebendige Existenz nimmt. Wie soll ein Bewusstsein existieren, wenn es nichts gibt, worüber es sich bewusst sein kann?!
Der logische Hebel liegt im Gedankenexperiment selbst: indem wir uns ein Universum vorstellen, indem es kein Bewusstsein geben soll, beschummeln wir die physikalischen Tatsachen, nämlich unser Vorhandensein als vorstellende, bewusste Existenzen. Wenn A die Voraussetzung ist, dass B sein kann, können wir uns zwar ein A ohne B vorstellen, aber kein B ohne A. Wenn es ein Universum gibt, das Wesen ermöglicht, die Bewusstsein haben, dann können wir uns umgekehrt keine Wesen vorstellen, die irgendwo und irgendwie sind, aber nicht in einem Universum, weil es dieses nicht (mehr) gibt. Ich glaube, Searle sagt das einfacher, als ich es zu erklären versuchte: „Ob ein Sachverhalt logisch möglich ist oder nicht, hängt davon ab, wie man ihn beschreibt. Ist es logisch möglich, dass es im Universum physische Partikel ohne jedes Bewusstsein gibt? Die Antwort lautet: Ja. Aber wenn die Bewegungen der physischen Partikel genauso ablaufen, wie sie es tatsächlich tun, und die Naturgesetze gelten, die, neben vielem anderen diese Bewegungen determinieren, dass sie Bewusstsein verursachen und realisieren, ist es dann möglich, dass kein Bewusstsein vorhanden ist? In diesem Fall lautet die Antwort nein. (…) Die Dualisten haben die Vorstellung, die Partikel der Mikrophysik seien wie winzige Sandkörner, die von unabhängigen Kräften bewegt werden, und sie können sich die Bewegung des Sandes ohne irgendwelches Bewusstsein vorstellen. Aber dieses Bild ist falsch. Auf der fundamentalsten Ebene konstituieren die Kräfte, die von den Naturgesetzen beschrieben werden, die Punkte von Masse/Energie. Aus diesen Naturgesetzen folgt die Existenz von Bewusstsein als logische Konsequenz, genauso wie daraus die Existenz jedes anderen biologischen Phänomens folgt, etwa Wachstum, Verdauung oder Vermehrung.“ (S. 140-141)
Fassen wir das etwas zusammen: der Materialismus versucht alle Phänomene auf physikalische Ereignisse zu reduzieren. Nicht reduzierbare, subjektive Zustände von Bewusstsein oder Aufmerksamkeit gibt es nicht. Das ist evident Unsinn.
Den Dualismus zu widerlegen, ist schwieriger. Searle nennt – ebenfalls zusammenfassend – folgende drei Hauptargumente:
1. Niemandem sei es je gelungen, eine verständliche Erklärung der Beziehungen zwischen den „zwei“ Bereichen der Physik und der Metaphysik zu geben.
2. Diese beiden Bereiche zu postulieren wäre überflüssig. Es sei möglich, alle Erste-Person-Tatsachen und alle Dritte-Person-Tatsachen zu erklären, ohne zwei verschiedene Bereiche zu postulieren.
3. Zwei verschiedene Bereiche zu postulieren schaffe nicht hinnehmbare Schwierigkeiten. Es würde nach dieser Auffassung unmöglich zu erklären, wie mentale Zustände und Ereignisse physische Zustände und Ereignisse verursachen. (Vgl.: S. 143)
Nun kommt etwas, das mich trotz der vermeintlichen „Kälte“ von Searles Argumentation, gerührt hat. Das funktional beste Argument für den Dualismus, das freilich seine philosophische Berechtigung keineswegs wieder herstellt, ist der von ihm ausgehende Trost! Searle schreibt abschliessend hinter seine Dekonstruktion von Materialismus und Dualismus folgendes:
„Beachten Sie bitte, dass der Dualismus auch trotz dieser Argumente noch eine logische Möglichkeit bleibt. Es ist logisch möglich, wenn auch, wie ich glaube, extrem unwahrscheinlich, dass unsere Seelen weiterleben werden, wenn unsere Körper zerstört sind. Ich habe nicht versucht zu zeigen, dass das unmöglich ist (ich wünschte sogar, es wäre wahr), sondern nur, dass es unvereinbar mit so ziemlich allem anderen ist, was wir darüber wissen, wie das Universum funktioniert, und deshalb ist es irrational, daran zu glauben.“ (S. 143)
Ich werde auf diese Irrationalität zurückkommen müssen.